Dienstag, Mai 12, 2009

Protokoll vom 11.5.
Protokollant: Daniel Scharon

Zunächst wird das letzte Protokoll durchgegangen, dazu ein paar Ergänzungen: Lenin wurde vom Deutschen Kaiserreich aus der Schweiz ins zaristische Russland reimportiert, um dieses gezielt zu destabilisieren.

Marx' Analyse ist eine epochale Analyse (Epoche der kapitalistischen Produktionsweise), sie muss daher nicht, wie im Marxismus-Leninismus, weiterentwickelt werden. Der Marxismus-Leninismus wurde auch spöttisch 'adjektivischer Sozialismus' genannt. Alles, was es im Kapitalismus gibt, bekommt das Adjektiv 'sozialistisch' vorangestellt und wird fortan als angemessen erachtet.
Die Verfolgung von Kritikern kurz nach der russischen Revolution wurde erwähnt, insbesondere der als 'Revisionisten' deklarierten Theoretiker, wie z.B. Trotzki.
Das von Marx genannte Beispiel wurde von ihm als lediglich historisch gemeintes Beispiel erwähnt, die Arbeiterbewegung hat es jedoch zur Theorie gemacht.
Marx' Kritik ist wertformanalytische Kritik an der klassischen Arbeitswerttheorie, und damit der Politischen Ökonomie, einem System von Herrschaft: dem Kapitalismus.

Ab MEW 23: 90 geht es in der Sitzung mit der Lektüre weiter.
Der von Marx postulierte Gegenentwurf zur Robinsonade aus der Politischen Ökonomie ist die Assoziation freier Menschen. (Ein noch utopischer Mythos als Gegenbild zur gegenwärtigen Politischen Ökonomie, welcher ein Entwurf für die Zukunft ist, vgl. Platons Ineinandergreifen von lógos und mythos.) Im "Verein" bleiben die gesellschaftlichen Beziehungen zwischen Menschen durchsichtig, sowohl in der Produktion als auch in der Distribution. Dem Historischen Materialismus (Histomat) zufolge gab es eine erste Stufe der menschlichen Entwicklung, den Ur-Kommunismus, welchem die Sklavenhaltergesellschaft als erste Klassengesellschaft folgte. Im antiken Griechenland konnten freie Bürger Sklaven besitzen. Sie besitzen damit nicht nur deren Arbeitskraft, sondern die Sklaven als Ganze.
Anmerkung von Mike: Die historischen Bemerkungen von Marx sind nicht von derselben analytischen Güte, wie die über die kapitalistische Produktionsweise.
Das kapitalistische Produktionsverhältnis hat im Christentum seine entsprechende Religionsform. Der "religiöse Widerschein der wirklichen Welt" (S. 94) ist aber nicht nur im Kapitalismus zu sehen. Das zaristische Russland war kaum industriell entwickelt. Der Zar war nicht nur dessen weltlicher Herrscher, sondern auch dessen 'gesalbtes'
religiöses Oberhaupt. Marx' Vorgänger übten argumentative Religionskritik, für ihn gilt jedoch, dass sobald Menschen die Produktion ihrer Lebensbedingungen selbstbewußt gesellschaftlich durchgeführen, Durchsichtigkeit an die Stelle undurchschauter Abhängigkeit tritt. Religion wie Staat können nicht per Dekret oder allein durch theoretische Kritik abgeschafft werden.

Die bürgerlichen Ökonomen hängen dem Naturalschein des Tauschwerts an,
obgleich in ihm nicht mehr Naturstoff als im Wechselkurs enthalten ist
(S. 97). Dieser Fetischismus, ausgedrückt als moderne, bürgerliche
ökonomische Theorie, sieht den Wert 'im' Diamant stecken. Die
Vorstellung der Physiokraten zur Bestimmung der Grundrente als Wert der
'aus der Natur' komme, entspricht ebenfalls diesem Fetisch. Der
Tauschwert ist jedoch eine "gesellschaftliche Manier" (S. 97).

2. Kapitel: Der Austauschprozess

Manche sehen hier einen Bruch:
Das 1. Kapitel bleibt ökonomisch, das 2. wird hingegen philosophisch,
juristisch, politisch, usw.
Dass die Warensammlung am Anfang des Buches genannt wird, ist von großer
Bedeutung, da daraus Marx' Forschungsprozess ersichtlich wird: Ausgehend
von den ökonomischen Verhältnissen ('Basis') zu den spezifischen,
historischen Ausformungen zu kommen. Die Formbestimmtheiten entwickelt
er hierbei aus den Warenverhältnissen, als spezifische Form menschlichen
Handelns (-> ökonomischen Handelns).

Marx gibt keine anthropologische Reflexion über Bedürfnisse, da diese für die Analyse der Wertformen genauso wenig zentral sind wie die Rechtsverhältnisse. Andere haben den Gebrauchswert als zentral gesehen, übersahen dabei jedoch, dass wenn die Bedürfnisse nicht zahlungsfähig sind, sie auch nicht zählen. Erst im Austausch zählen diese (S. 103).

"Falscher Schein" ist hingegen zentraler Bestandteil für Marx' Analyse.
Das wissenschaftliche Bewusstsein ist deutlich vom natürlichen Bewusstsein zu trennen. Das Arbeiterbewusstsein, als ein natürliches Bewusstsein, ist vom falschen (bürgerlichen) Schein betroffen und sollte davon befreit werden.
Das Rätsel des Geldfetisch ist nur das sichtbar gewordene des Warenfetisch (S. 108).

3. Kapitel: Das Geld und die Warenzirkulation

Marx weist darauf hin, dass er zur Vereinfachung der Darstellung Gold mit Geld gleichsetzt (S. 109)
Aus dem Kapitel ergeben sich zwei mögliche Interpretationen:
1. Das Maß der Werte / die Wertgröße scheint unabhängig von der Wertform zu sein.
2. Die in der Ware dargestellte Arbeitszeit hat sich durch den Warentausch hindurch festgesetzt.

Aus der 2. Interpretation ergibt sich: Die Wertform Geld ist notwendig, ohne Geld sind es keine Waren, sondern lediglich Kandidaten für Waren. Von der Wertsubstanz (gesellschaftliche Arbeit) wird durch die Wertform hindurch gesprochen.

Eine "Geldtheorie" - die über die Analyse der Geldform des Werts (und damit der gesell. Arbeit)hinausgeht- gehört nicht zur FORManalyse der kapitalistischen Produktionsweise im Allgemeinen. Der Abschnitt über Geld dient nur der Darstellung der Verwandlung von Geld in Kapital.

Keine Kommentare: