Sonntag, Dezember 06, 2009

ein wenig mehr ZUM SPIEL (WertSpiel)

Warum ist "Spiel" der geeignete Name für das Austauschgeschehen auf den Märkten - angefangen mit dem Tausch der Warenaustauschprodukte? Dabei geht es darum, dieses Austauschgeschehen auf seinen ontologischen (Wert-Form-)Begriff zu bringen. Es geht erst mal überhaupt NICHT darum, zu bestimmen, zu behaupten oder zu meinen, ob bzw. daß das Austauschgeschehen ein faires oder abgekartetes Spiel, ein schönes oder unfreies Spiel sei. Marxistische Kritiker von mir sind immer bloß empört zu hören, daß das Austauschgeschehen überhaupt "fair" sein könnte, ohne sich zu überlegen, warum es als Spiel überhaupt ontologisch zu begreifen ist. Zudem empören sich "Kritiker" bloß über die im Deutschen verpönten Wörter "Spiel" und "Spieler". Die Deutschen -- das unspielerische Volk schlechthin?
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Warum nicht das Austauschgeschehen "Austauschprozeß" nennen, wie Marx dies tut? Der Austauschprozeß wäre dann vom "Produktionsprozeß" begrifflich unterschieden, der dann später im begrifflichen Gedankengang vom Zirkulationsprozeß unterschieden wird. Dann gäbe es verschiedene "Prozesse" im sog. "kapitalistischen System", und man bliebe ganz sachlich-objektiv-"wissenschaftlich".

Bei der Produktion geht es um die Herstellung von Gütern. Die Herstellung steht
dem Austausch gegenüber, der sie ergänzt. Nach wertformanalytischer Einsicht wird der (Tausch-)Wert nicht im Produktionsprozeß hergestellt und dann bloß diese hergestellte "Wertsubstanz" auf dem Markt im Austauschgeschehen "ausgedrückt", sondern die Arbeitsprodukte werden erst auf dem Markt durch die Spegelung in anderen Waren zu wirklichen (actualitas, _energeia_) Tausch-Werten, die wirklich die Kraft (_dynamis_, Macht) haben, in der Tausch-Bewegung sich gegen andere Waren zu tauschen. Der Wert ZEITIGT SICH imAustauschgeschehen, d.h. in TauschVERHÄLTNISSEN.
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Bei der Herstellung hingegen geht es um die Hervorbringung eines fertigen Produkts unter der Führung eines wissenden Einblicks, d.h. von know-how. Marx kannte sein Griechisch und vor allem seinen Aristoteles, der die ontologische Struktur der Herstellung genauso beschreibt, wie Marx es wiedergibt, wenn er die "Arbeit" einer Biene von der menschlichen Arbeit (_dynamis meta logou_) unterscheidet (Met. Buch Theta).
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Bei der Herstellung geht es um einen kontrollierten, beherrschten, vorhersehbaren Prozeß, der im Endresultat eines fertigen Produkts in sein Ende kommt (_entelecheia_). Der Herstellungsprozeß ist vom Ausgangspunkt des Know-How aus beherrscht.
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Es kann nicht überbetont werden, daß das Paradigma der Herstellung seit der griechischen Philosophie das westliche Denken insgesamt durchherrscht -- auch bei Marx, sofern er auf der Suche nach dem "Wertgesetz" bzw. dem "Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft" ist. Ein Gesetz gibt eine Regel in die Hand, wodurch eine Bewegung wissend beherrscht werden kann, und sei es, daß sie lediglich VORHERGESEHEN werden kann, wie z.B. die Newtonschen Gesetze es erlauben, die Bewegung der Himmelskörper vorherzusehen, vorauszukalkulieren. Und die Newtonschen Gesetze sind das ganz große Paradigma der modernen Wissenschaften, das auch die Wirtschaftswissenschaft bestrebt ist nachzuäffen.
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Das Paradigma der Herstellung jedoch trifft nicht zu für das
Austauschgeschehen. Schon deshalb ist es irreführend, von einem
Austauschprozeß zu reden. Im Austausch gibt es zumindest zwei Ausgangspunkte, und nicht _einen_ wie bei der Herstellung. Die beiden oder vielen Ausgangspunkte des Austauschgeschehens sind die Warenhüter, die die Waren zu Markt bringen, um mit denselben zu handeln. Der Handel ist kein sicherer Prozeß mit voraussehbaren Ausgang, sondern hängt von den Entscheidungen der vielen Warenhüter ab im Wechselspiel miteinander (vgl. die Dialektik der Anerkennung bei Hegel: "Der eine tut, was der andere tut, usw."). Solche Entscheidungen, zu (ver-)kaufen oder nicht und zu welchem Tauschverhältnis (bzw. zu welchem Preis), entstehen aus der Spontanität (Kant) bzw. der abgründigen Freiheit jedes einzelnen Ausgangspunktes, die dann spielerisch aufeinandertreffen. Das Ergebnis bleibt unsicher und unvorhersehbar, bis das Geschäft wirklich (actualitas) abgeschlossen ist. Selbst wenn es "Erfahrungswerte" für das Marktgeschehen "in der Regel" gibt, können diese Erfahrungswerte auf einen Schlag auch ungültig werden.
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Aus der Gegenüberstellung zum Produktionsprozeß und aufgrund der Grundllosigkeit des Austauschgeschehens unter vielen Warenhütern nach bestimmten Regeln des Marktes, womit auch die wesenhafte menschliche Freiheit (einschl. der Unfreiheit!) mit im Spiel ist, verdient dieses Geschehen den Namen SPIEL. Der Wert, der sich aus der Spiegelung in anderen Waren zeitigt, ist somit ein Spielergebnis.
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Wie gesagt, ob das Tauschspiel fair oder unfair ist oder sein kann, ob es ein win-lose, win-win, lose-lose Spiel ist oder sein kann, steht auf einem anderen Blatt. Es muß festgehalten werden, daß ontologische Begriffe grundsätzlich auch ihre Negation mit einschließen, z.B. ein Tauschspiel kann nur unfair sein, weil es auch fair sein kann, und umgekehrt, und der Mensch kann nur unfrei sein, weil er wesenhaft ein freies Wesen ist (ein Stein kann weder frei noch unfrei sein). Eine einfache Negation als Gegenargument zu behaupten, trifft die Sache nie.
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Es wäre schön, wenn sich ein paar Nachdenkliche auf solche Gedankengänge einlassen würden, statt bloß Festgefahrenes noch einmal gedankenlos zu behaupten.

> So viel für heute. Michael Eldred, Köln, 3.12.09
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