Sonntag, April 19, 2009

Wertformenanalyse 1859 - 2009

Zur Darstellung der kapitalistischen Gesellschaftsform
in den drei systematischen Bänden DAS KAPITAL. Kritik der politischen Ökonomie (Marx-Engels-Werke 23-25)

Es ist wieder vom „Kapitalismus“ die Rede – und diesmal vom erdumspannenden, mondialen / globalen. Und mensch beginnt wieder im KAPITAL zu lesen ...

Zur eigenen Lektüre – mit MEW23 zum Durchblättern daneben!
Bemerkungen zum KAPITAL,

Bd.I, Abschnitt 1
Unser Vorschlag ist, dem Rat Althussers (Vorwort zur französischen Ausgabe des KAPITAL, 1969), wonach im ersten Durchgang der 1. Abschnitt übersprungen wer­den kann, nicht zu folgen. Auch wenn dies noch durch Hinweis auf Marx selbst "erschwert" werden kann: "Wollen Sie Ihrer Frau Gemahlin als zunächst lesbar die Abschnitte über den "Arbeitstag", "Kooperation, Teilung der Arbeit und Maschinerie", endlich über die „ursprüngliche Akkumulation“ bezeichnen (Brief an Kugelmann, 30. Nov. 1867).

Unserer Meinung nach ist der 1. Abschnitt als syste­matische Einleitung ernst zu nehmen, in der Analyseka­tegorien, in denen nachfolgend Fragen formuliert und Antworten gegeben werden, eingeführt werden. Wenn hier übersprungen wird, so fehlt anschließend der begriff­liche Schlüssel. Dem kommt noch besondere Bedeutung zu, wenn das weitverbreitete Vorverständnis, dass Marx die Arbeitswertlehre vertritt, wenigstens insoweit er­gänzt (und wie wir darüber hinaus hoffen: erschüttert) werden kann, dass der zweite Argumentationsstrang, der „wertformanaly­tische", bemerkt wird.
Sorgfältiges, wiederholtes Lesen und Diskutieren von Kapitel 1, Unterabschnitt l, sollte in einer Sitzung von etwa 3 Stunden möglich sein. Der 2. Unterabschnitt kann dann in der Zwischenzeit bis zur zweiten Diskussions­sitzung gelesen werden. Ein neuer Schritt in der Dar­stellung, der unmittelbar an die schon im ersten Ab­schnitt (aber inkonsequenterweise) angesprochene "not­wendige Ausdrucksweise oder Erscheinungsform des Werts" anknüpft, wird im 3. Unterab­schnitt erreicht: „Die Wertform oder der Tauschwert". (Schon dieser Doppeltitel muss nachdenklich machen!)
Von diesem Text wird die Diskussion immer wieder zurück zum Anfang des KAPITAL und den Bestimmungen von Wert­substanz und Wertgröße gehen. Dabei spielt die Frage ei­ne zentrale Rolle, wie denn, wenn "Tauschwert... not­wendige Ausdrucksweise oder Erscheinungsform des Werts"
- der Wert (Wertsubstanz, Wertgröße) "zunächst jedoch (?!) unabhängig von dieser Form zu betrachten ist" (MEW 23/53). Nach unserer Einschätzung scheiden sich hier "arbeits­werttheoretische" und "wertformanalytische" Vorgehensweise. (Wir schlagen vor, 2-3 Sitzungen hierfür einzuplanen.)
"Mit Ausnahme des Abschnitts über die Wertform wird mensch dies Buch nicht wegen Schwerverständlichkeit anklagen kön­nen," schreibt Marx am 25. Juli 1867 ins Vorwort der ers­ten Auflage. Und im Nachwort zur zweiten Auflage (1873) heißt es: "Kapitel 1.3 (Die Wertform) ist gänzlich umge­arbeitet, was schon die doppelte Darstellung der ersten Ausgabe gebot. - Im Vorbeigehn bemerke ich, dass jene doppelte Darstellung durch meinen Freund, Dr. L. Kugel­mann in Hannover, veranlasst ward. Ich befand mich bei ihm zum Besuch im Frühling 1867, als die ersten Probebogen von Hamburg ankamen, und er überzeugte mich, dass für die meis­ten Leser eine nachträgliche, mehr didaktische Auseinan­dersetzung der Wertform nötig sei." Siehe auch den Brief von Engels an Marx vom 16. Juni 1867 und die Briefe von Marx an Engels vom 22. und 27. Juni 1867. Engels an Marx am 24. Juni 1867 "Die Entwicklung der Wertform ist aller­dings das An-sich der ganzen bürgerlichen Schmiere." Ver­gleiche auch die Darstellung in "Zur Kritik der Politischen Ökonomie" (1859)!
Marx' Terminologie im Wertform-Kapitel ist inkonsistent. Er gebraucht den Ausdruck 'Wertform' sowohl mit Bezug auf Wertausdrücke (wie dem einfachen, entfalteten und
allgemeinen Wertausdruck) als auch mit Bezug auf Positio­nen innerhalb der Wertausdrücke, nämlich die relative Wert­form und die Äquivalentform.
Nun noch zwei Einzelpunkte. Da wir für zentral halten, dass eine Ware nicht einen Tauschwert, sondern viele Tauschwer­te hat, sehn wir auch keinen Nutzen darin, die "Einfache oder zufällige Wertform" der "Entfalteten Wertform" (beide male handelt es sich freilich um Wertausdrücke s.o.) voran­zustellen. 'Zufällig' deutet darüber hinaus auf histori­sierende Beimengungen, die (so der Rat von Engels) die Dar­stellung "popularisieren", aber systematisch ohne Belang sind. Hinfällig wird auch der Unterschied zwischen Allge­meinem Wertausdruck und Geldausdruck des Werts, wenn er daran hängt, dass eine bestimmte Ware den Platz des allge­meinen Äquivalents "historisch erobert" (MEW 23/84). Die Marxschen 4 Formen reduzieren sich auf 2 Arten von Wert­ausdrücken. 1.4 - das "Fetisch-Kapital" - ist einer der pro­minentesten Marx-Texte. Zur Wertform und der Differenz zur Arbeitswertlehre der klassischen politischen Ökono­mie, siehe Anmerkung 32, MEW 23/95.
In der ersten Auflage (1867) gab es noch keine Untertei­lung des ersten Kapitels. Im Anhang "Die Wertform" fin­den sich einige der Formulierungen, die später im Fetisch­kapitel stehen, unter der Überschrift: "Die vierte Eigen­tümlichkeit der Wertform."
Das zweite Kapitel "Der Austauschprozess" bringt die kate­goriale Entwicklung nicht voran. Einige der - teils lau­nigen - Formulierungen, die schon ganz zu Anfang stehen, verwenden juridische bzw. rechtsphilosophische Ausdrucks­weise. Wenn dies nicht als Vorgriff verstanden wird und daher in der systematischen Rekonstruktion beseitigt wer­den kann, ergeben sich Zweifel an der systematischen Reihen­folge, die Marx im Vorwort von "Zur Kritik der Politischen Ökonomie" wie folgt als "Forschungsprogramm", wie wir heu­te sagen würden, umrissen hat: "Meine Untersuchung mündete in dem Ergebnis, dass Rechtsverhältnisse und Staats­formen ... in den materiellen Lebensverhältnissen wur­zeln, deren Gesamtheit Hegel ... unter dem Namen bür­gerliche Gesellschaft zusammenfasst, dass aber die Ana­tomie der bürgerlichen Gesellschaft in der politischen Ökonomie zu suchen sei."
Eugen Paschukanis hat in seinem einflussreichen Werk "Allgemeine Rechtslehre und Marxismus" (Wien/Berlin 1929) nicht nur keinen Anstoß an dem angesprochenen Problem genommen, sondern hat an die Marxschen Formulierungen an­knüpfend aus der "einfachen Warenzirkulation" eine ma­terialistische Staatstheorie ableiten wollen.
Das dritte Kapitel beginnt, wo 1.3 endete: Geld als Wert­ausdruck, hier: Geld als Wertmaß. Wir schlagen vor, die Lektüre und die Diskussion auf die Frage zu konzentrie­ren, was von den Bestimmungen des Geldes erarbeitet wer­den muss, damit die Eröffnungsfrage der Analyse der ka­pitalistischen Produktion, die Frage nach der Verwertung des Werts als Kapital formuliert werden kann

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