Montag, Juni 22, 2009

Grundform und abgeleitete Formen



zunächst aber Nachtrag eines Protokolls:

HS Von Marx zu Marx

Protokoll der Sitzung am 08.06.2009

13. Kapitel / 2. Wertabgabe der Maschine an das Produkt

Im „Kapital“ widmet sich Marx dem Verstehen der epochalen kapitalistischen Prozesse auf Basis einer begrifflichen Analyse der "großen Industrie"; dabei wird das Ineinandergreifen von historischer und systematischer Darstellung heute als eher hinderlich angesehen. Mit der "Kritik der pol. Ökonomie" stellte Marx sein Selbststudium unter Beweis, das ihm die reichhaltige Bibliothek des British Museum in London ermöglichte; zentraler Punkt ist die Behandlung der Produktion des relativen Mehrwerts. Im Gegensatz zu Marx verfügte Engels bereits über ein umfangreiches Fachwissen, als Sohn einer Fabrikantenfamilie erfuhr er die industriellen Produktionsprozesse aus erster Hand.
Im dreizehnten Kapitel fokussiert Marx die Großindustrie, in der Maschinen Maschinen produzieren; Arbeit wird als Lebewesen verstanden:
„Als Maschinerie erhält das Arbeitsmittel eine materielle Existenzweise, welche Ersetzung der Menschenkraft durch Naturkräfte und erfahrungsmäßiger Routine durch bewußte Anwendung der Naturwissenschaft bedingt. In der Manufaktur ist die Gliederung des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses rein subjektiv, Zusammensetzung von Teilarbeitern; im Maschinensystem besitzt die große Industrie einen ganz objektiven Produktionsorganismus [Hvh. f. Vfs.], den der Arbeiter als fertige materielle Produktionsbedingung vorfindet.“ (S. 368f.)1 / MEW 23:407
In der Maschinerie manifestiert sich die Wissenschaft als Produktionstechnik. Die Dampfmaschine ist der zentrale Motor, an den alle produzierenden Maschinen der Fabrik angeschlossen sind.
Von diesem Zentralismus ausgehend stellt sich die Frage, inwiefern wir heute noch »industriell« leben: Einerseits sind die unbeweglichen großen (Rechen-)Maschinen bis auf ein bewegliches Minimum geschrumpft, es gibt Mini-Anwendungen verschiedenster Art, man könnte von einer mikrokosmischen Industrie sprechen; andererseits sind all diese Dinge doch von der einen großen Industrie gefertigt. Wohl aber ist heutzutage die Industrie nicht zuletzt aufgrund der Globalisierung immer und überall greifbar; Computer und Server laufen rund um die Uhr, Börsen sind zahlreich auf der ganzen Welt verstreut, Abgase finden ihren Weg in jeden Lebensbereich hinein. Gedanken Marx' an die Globalisierung (»Globalisierung vor der Globalisierung«) zeigen sich in der Erwähnung der Telegraphie.
„Gleich jedem andren Bestandteil des konstanten Kapitals“, so Marx, „schafft die Maschinerie keinen Wert“ – was die moderne Betriebswirtschaftslehre bestreitet – „gibt aber ihren eignen Wert an das Produkt ab, zu dessen Erzeugung sie dient“ (S. 370). Festgehalten wird, „daß die Maschinerie stets ganz in den Arbeitsprozeß und immer nur teilweise in den Verwertungsprozeß eingeht“(ebd.); der Doppelcharakter der Ware (und der Arbeit) in der Maschinerie soll unter der Verbindung von Arbeitsprozess und Verwertungsprozess dargestellt werden, was auf eine Bewertung der Produktion der Maschinerie als Produktion von Mehrwert hinausläuft.
„Ziehn wir von [...] Maschinerie und Werkzeug [] ihre täglichen Durchschnittskosten ab oder den Wertbestandteil, den sie durch täglichen Durchschnittsverschleiß und den Konsum von Hilfsstoffen [...] dem Produkt zusetzen, so wirken sie umsonst, ganz wie ohne Zutun menschlicher Arbeit vorhandne Naturkräfte.“ (MEW 23:409)
Mit dieser Einschätzung knüpft Marx an die Antike an, in der die Wasserkraft der Mühle als willkommene, den Menschen befreiende Arbeitskraft verstanden wurde. Durch die Maschinerie soll »labour«, mühevolle, quälende körperliche Arbeit, abgeschafft werden; dies stellt ein wichtiges Ziel für die humanistische Wissenschaft und das zu verwirklichende Ideal einer bürgerlichen Industrie dar.
Der Satz „Das Verhältnis gegeben, worin die Maschinerie Wert auf das Produkt überträgt, hängt die Größe dieses Wertteils von ihrer eignen Wertgröße ab“ (S. 372) wird mit einer Fußnote versehen, die es zu erläutern gilt:
„Der in kapitalistischen Vorstellungen befangne Leser vermißt hier natürlich den „Zins“, den die Maschine, nach Maßgabe ihres Kapitalwertes, dem Produkt zusetzt. Es ist jedoch leicht einzusehn, daß die Maschine, da sie so wenig als irgendein andrer Bestandteil des konstanten Kapitals Neuwert erzeugt, keinen solchen unter dem Namen „Zins“ zusetzen kann. Die kapitalistische Rechnungsweise, die auf den ersten blick abgeschmackt und den Gesetzen der Wertbildung widersprechend scheint, findet im dritten Buch dieser Schrift ihre Erklärung.“ (Ebd.) Anm.110 auf MEW 23:411
Aus dieser Anmerkung wird die Argumentationsstrategie Marx' ersichtlich, die intendierte inhaltliche Abfolge der Behandlung der Wertformen. Zuerst soll der Mehrwert bestimmt werden, dazu wird das Kapital in konstantes und variables unterteilt. Variabel ist das Kapital, weil es Mehrwert zusetzt; konstant ist es, eben weil es keine Veränderung erfährt – aber Gefahr läuft, durch Modernisierung entwertet zu werden. Zunächst wird das konstante Kapital idealisiert auf 0 gesetzt (C=0); später, wenn die Darstellungsvorraussetzung aufgehoben ist, kann der Wert von C genauer betrachtet werden – als Geld, das für die kapitalistische Produktion für eine bestimmte Zeit vorgeschossen wird und wieder zurück fließt – inklusive „Profit“.

Es ist Marx daran gelegen, durch die systematische Darstellung den Zins als Teil des Mehrwerts verständlich zu machen.

Keine Kommentare: