S. 130 - 141Christoph Henning - Philosophie nach Marx
-100 Jahre Marxrezeption und die normative Sozialphilosophie der Gegenwart in der Kritik-
2.3 Marx in der ökonomischen Theorie
2.3.1 Marx zwischen wirtschaftswissenschaftlichen Paradigmen
„Klassik“ (Smith, Ricardo…)
- heterogene Wirtschaftsklassen, in Konkurrenz miteinander
- Polarität der Klassen, Verteilungskämpfe
- Arbeitswertlehre / objektive Wertlehre
„Marx’sche Theorie“
- Weiterführung klassischer Ansätze / klassische Tradition
- bis in Politik ausstrahlende ökonomische Klassenkämpfe
„Neoklassik“ (Marshall, Keynes, Friedmann…)
- Tauschfixierte Perspektive
- fehlende hist. Dimension, da Nichtbeachtung der Produktion
- schwerpunktmäßig „Preistheorie“ / Mikroökonomie
- 3 Variablen: Angebot - Nachfrage - Preis
[zur Ermittlung einer Variable müssen die 2 andren gegeben sein]
statischer Charakter, da Entwicklung der Variablen nicht im Zentrum
- Atomisierung: 1. Voneinander isolierte, nutzenmaximierende Individuen 2. Fehlender übergreifender Problemzusammenhang (hist./systemat.)
allenfalls Legitimierung der bestehenden Ordnung
- Psychologisierung:
Subjektive Neigungen (vgl. „rational choice“) als Ursache grundlegender ökonomischer Mechanismen (≠ Sachzwänge / objektive Wertlehre)
- Harmonisierung:
Statt Klassen eine homogene Gruppe nutzenmaximierender Individuen
Keine Krisen / wirtschaftliche Akteure nehmen Marktpreise passiv hin/„Frieden“ /Statik
Weiterführung ohne Rekurs auf Marx unmöglich, daher neues Paradigma
Fazit Hennings:
Bürgerliche Ökonomen „widerlegten“ Marx im „falschen“ Paradigma, nicht im klassischen…
S. 141 - 1442.3.2 Marxwiderlegungen aus neoklassischer Sicht
Klassik einschl. Marx: Wert objektiv bestimmt durch Boden (Physiokraten)
Gesell.-abstrakte Arbeit / Arbeitszeit… MiRo: Hinweis auf die Wertform im Austauschverhältnis aller Industriewaren
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Neoklassik: Wert bestimmt durch subjektive Nutzenerwägungen
Grenznutzentheorie („Preistheorie“):
- Preis eines Gutes hängt ab von Angebot (Produktionskosten der Anbieter als Untergrenze) und Nachfrage (Nutzenkalkül der Nachfragenden als Obergrenze)
- Markt als Subjekt, Firmen als passive Elemente bei Preisbestimmung
1. Marx will Level erklären, um das die Preise durch Angebot + Nachfrage schwanken, von A+N selbst aber nicht erklärt werden können. Im neoklassischen Paradigma lassen sich Preisschwankungen nur feststellen, nicht erklären, ebenso wenig wie sinkende Profitrate / Klassen(-widersprüche bzw. -kämpfe).
2.Thema der Arbeitswerttheorie war nicht Preisbestimmung (but 1.? MiRo), sondern Suche nach dem sich langfristig durchsetzenden „Bewegungsgesetz“ der kapitalistischen Wirtschaft
Neoklassik teilt nicht die gleiche Fragestellung, kann/will daher mit der Arbeitswertlehre nichts anfangen
Werte hinter Preisen gelten als Mystik / Metaphysik politische Implikationen: Lohnforderungen / Krisenerklärungen scheinen unsinnig
Ausschaltung / Kritik der Arbeitswertlehre bedeutet Entledigung aller unangenehmen Elemente der Marxschen Theorie
S. 144 - 152Vermutung Hennings: die Preisgabe der Werttheorie geschieht auch aus außertheoretischen Motiven
2 Versuche, die Arbeitswertlehre zu widerlegen:
1. Argument:
Theorie empirisch nicht haltbar, da durch gleichen Arbeitsaufwand geschaffene Produkte zuweilen unterschiedlichen Preis erzielen
Gegenargument:
Keine Widerlegung, Marx bestimmt den Wert durch die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit nach gegebenem Stand der Technik
2. Argument:
„Transformationsproblem“ von Werten in Preise
Lesart MEW 23: Waren verkaufen sich zu ihrem Wert (Wert = Preis)
--- Widerspruch ⇅ ---
Lesart MEW 25: Auch andere Faktoren bei Preisentstehung auf dem Markt
à Wertlehre will unmittelbaren Marktpreis erklären (was sie nicht kann)
Gegenargument:
- Wertlehre will nicht Preisbestimmung leisten, sondern „roten Faden“ in scheinbar chaotischen Phänomenen des Marktes ausmachen
- MEW 23: Entwicklung grundlegender Begriffe + Zusammenhänge
- MEW 25: Untersuchung, wie sich diese Logik tatsächlich durchsetzt
- Vereinfachungen wie (Wert = Preis) dienen Marx zur Erklärung von Grundmechanismen
- methodisch: vom Abstrakten zum Konkreten
- Bildung + Funktionsweise des Kapitals schon unter Voraussetzung einfachster Abstraktion zu begreifen
akademische Marxkritik missversteht Charakter der Marx’schen Gesetze durch ihre Festlegung auf die „Teilnehmerperspektive“ [Marx: Addition der Individuen ≠ Gesellschaft]
S. 152 - 1552.3.3 Übernahme der Neoklassik durch Marxisten
2. Hälfte des 20 Jhd.: Marxrezeption durch hegemonial neoklassisches Umfeld geprägt
Werttheorie als unnötiger „Umweg“ in der Preistheorie
Hegemonie des neoklassischen Paradigmas dominiert Fragestellung
Auswirkungen der Aufgabe der Arbeitswertlehre selbst durch Marxisten:
- eigentlich kein Marxsches Thema mehr begründbar
- alternative Theorie der Ausbeutung etc...(im analytischen Marxismus mit „rational-choice“-Methoden)
- Fallenlassen des „tendenziellen Falls der Profitrate“(da nur mit Kategorien wie „Wert“ + „Profit“ erklärbar)
S. 156 - 163
Neoklassisches Absehen von Bewegungen der Profitrate: nur noch „Lohnanteil“ bestimmt „Profit“ (hier Gewinn)
„profit-squeeze“-Theorie(Möglichkeit, dass Löhne + Profite steigen, verweist zwar auf gemeinsame Ursache, die aber hier nicht beachtet wird)
politische Konsequenz: Löhne niedrig halten
Widersprüchlichkeit für Marxisten
Voraussetzung des „Harrod-neutralen“ technischen Fortschritts als Annahme: technischer Fortschritt verändere nicht die organische Zusammensetzung des Kapitals)
Verweis auf empirische Befunde schwierig, da der Datenerfassung unterschiedliche Begrifflichkeiten zugrunde liegen (Bsp.: „Mehrwert“)
Marxistische Erklärung dafür, dass Profitrate nicht fällt:
Kapitalisten führen nur Technik ein, die Profitrate hebt (Okishio-Theorem), wenn Profitrate dennoch fällt, dann sind Löhne oder billigeres Ausland schuld)
Aber: Plausibilität dieses Modells hängt an Vorannahmen, die im Marxschen Paradigma keinen Sinn machen (Bsp.: passive Rolle der Unternehmen als „Preisnehmer“ in der neoklassischen „perfect competition“
Unterschied:
Konkurrenz bei Marx
Perfekte Konkurrenz in Neoklassik
- Investition in (fixes) konstantes Kapital mit besserer Leistungsfähigkeit, um Kostpreis der Ware zu senken
Preiskampf, Konkurse + Fusionen, Arbeitslosigkeit (durch Erhöhung von c zu v), zyklische Krisen + über Zyklen tendenziell fallende Profitrate
- Neuerungen nur, wenn sie die Profitrate erhöhen
- „Optimalitätskriterium“
- harmonisch
im neoklassischen Paradigma undenkbar
Realität widersprach neoklassischen Grundannahmen (Bsp.: Weltwirtschaftskrise 1929)
S. 163 - 168Politische Antwort: keynesianistische Wirtschaftslenkung
Theoretische Antwort (inkl. der Linken):
- keine Veränderung der ökonomischen Rahmentheorie
- Realität wird zum unreinen Sonderfall („imperfect competition“) erklärt
Wirtschaftliche Misere wird nicht auf Wettbewerbslogik zurückgeführt, sondern auf Behinderung dieses Wettbewerbs, besonders durch Monopole
Auch „Marxisten“ wie Sweezy + Baran (im Anschluss an Linkskeynesianer wie Robinson/Kalecki/Steindl) unterscheiden nun zwischen:
competitive capitalism: individual enterprise as „price taker“
qualitativer Unterschied / “neue Phase”
monopoly capitalism: big corporation as “price maker” à Nun: Primat des Politischen (vgl. Lenin)
Als Grundlage dient hier neoklassische- (passiver “Preisnehmer”), nicht Marxsche Ökonomietheorie
„perfect competition“ als einzig mögliche Form der Konkurrenz, bei Nichtvorliegen „Monopol“(≠ Marx’scher Konkurrenzbegriff)
Kritik an Henning aus dem Seminar:
Sweezy, Mandel etc. sind bei aller berechtigten Kritik nicht in eine Reihe mit Neoklassikern zu stellen...
Fazit Hennings: Marxsche Essentials wie Arbeitswertlehre, Ausbeutung, fallende Profitrate etc. wurden selbst von Marxisten über Bord geworfen (nach leninistischem Grundmodell einer epochalen Politisierung der Ökonomie, demgemäss Wirtschaft & Politik ein Komplex).
2.3.4 Ausstrahlung des Paradigmas in Nachbarwissenschaften
Kernthese siehe Überschrift...
- Selbst Frankfurter Schule bleibt gefangen im neoklassischen Paradigma
- Wandel: Kritik der politischen Ökonomie Politische Ökonomie
- Ausgrenzung der sozialen Realität des Wirtschaftens aus der ökonomischen Theorie
So öffnet sich das Feld für eine separate "normative Sozialphilosophie"
Sonntag, Januar 28, 2007
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