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Montag, Mai 25, 2009

KAPITAL, Bd.I, Kapitel 5-25

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Bemerkungen zu KAPITAL, Bd.I, Kapitel 5-25

In Papier III dieser Rekonstruktion der Kapitalanalyse ist der systematische Argu­mentationsgang, der sich im enormen "Rest" von KAPITAL, Bd.I findet, formuliert. Hier versuchen wir nun zu­nächst in Ergänzung dazu, anzugeben, welche Teile des umfangreichen Textes nicht - nach unserem gegenwärtigen Verständnis - zur Entfaltung der systematischen Dar­stellung führen und deshalb in einem Versuch des Nach­vollziehens des strengen Argumentationsgangs überblättert – und zumindest zurückgestellt - werden können.
Grob gesagt: die Abschnitte 6 und 7 (Der Arbeitslohn, die Akkumulation) stehen außerhalb der (sich in unserer Rekonstruktion ergebenden) systematischen Reihenfolge. Dies lässt freilich offen, ob es für Marx nicht andere Gründe gab, diese Passagen in Band I des KAPITAL zu brin­gen, dem einzigen, der zu seinen Lebenszeiten erschien.
Ivan Glaser hat in seiner Konstanzer Habilitationsschrift: "Warum das KAPITAL ein Torso blieb" die Entstehungsge­schichte genauer untersucht. Um die Sache von hinten aufzu­rollen: Abschnitt 7 ist vorwiegend Auseinandersetzung mit der Ideologie der "politischen Ökonomie", die ein Natur­recht des auf Arbeit gegründeten Eigentums proklamiert, wobei sie "zwei sehr verschiedene Sorten Privateigentum, wovon das eine auf eigener Arbeit des Produzenten beruht, das andre auf der Ausbeutung fremder Arbeit" prinzipiell verwechselt (nur durch Schwanken zwischen diesen beiden Bedeutungen können die ideologischen (Fehl--)Schlüsse ge­zogen werden). "Sie vergisst", - Marxsche Ironie - "das letztre nicht nur den direkten Gegensatz der ersteren bil­det, sondern auch bloß auf seinem Grab wächst." (MEW 23/792)
Marx führt nun in erster Linie sehr umfangreiches historisches Material an, das diesen Befund ans Herz gehend illustriert. Dabei weist er die "sogenannte ur­sprüngliche Akkumulation" (Titel des sehr ausführlichen 24. Kapitels) als gewaltsame Expropriation auf: "Die sog. ursprüngliche Akkumulation ist ... nichts als der historische Scheidungsprozess von Produzent und Pro­duktionsmittel. Er erscheint als "ursprünglich", weil er die Vorgeschichte des Kapitals und der ihm ent­sprechenden Produktionsweise bildet." (MEW 23/742)
Da diese Produktionsmittel der vorbürgerlichen Produ­zenten als Nutzung von Grund und Boden zusammengefasst werden können, lassen sich große Teile dieses Textes unter die Überschrift bringen "Zur Bedeutung des ka­pitalistischen Privateigentums an Grund und Boden für die Ausbeutbarkeit von Lohnarbeiter/innen“.

Kapitel 24 endet mit gewagten Extrapolationen, betitelt: "Geschichtliche Tendenz der kapitalistischen Akkumulation" (MEW 23/789-791). So berühmt viele der griffigen Formu­lierungen, die diese drei Seiten enthalten, sind, so schwer sind sie mit dem rekonstruierbaren systematischen Argument schlüssig zu verbinden. In einem Kurs zum KAPITAL ist es aufschlussreich, eben dies im Anschluss an die Ana­lyse der Mehrwertproduktion in einer Sitzung zum Thema zu machen.

Und das letzte, das 25. Kapitel, hatte 1867 noch den Reiz, die jüngste Vergangenheit Europas als Gegenwart in Australien vorführen zu können: "Jedoch beschäftigt uns hier nicht der Zustand der Kolonien. Was uns allein interessiert, ist das in der neuen Welt von der politischen Ökonomie der alten Welt entdeckte und laut proklamierte Geheimnis: kapita­listische Produktions- und Akkumulationsweise, also auch kapitalistisches Privateigentum, bedingen die Vernichtung des auf eigner Arbeit beruhenden Privateigentums, d.h. die Expropriation des Arbeiters." (So endet KAPITAL, Bd.I, künftig auch kurz: KI)
Für die Wirkungsgeschichte der Marxschen Theorie in der sozialistischen/kommunistischen Arbeiterbewegung sind diese abschließenden Posaunenstöße zur Melodie Völker­-hört-die-Signale: "Die Stunde des kapitalistischen Pri­vateigentums schlägt. Die Expropriateurs werden expro­priiert." -bedeutungsvoll und insofern verhängnisvoll für die Erkenntnis dessen, worin die wissenschaftliche Leistung von Marx besteht, als gerade dieser massive Schluss, der mit dem vorausgegangenen Argumentationsgang nur brüchig verbunden ist, den fragmentarischen Charak­ter des in KAPITAL, Bd. I vorgetragenen Theoriestücks zudeckt. Wenn dies Resultat schon am Ende von Band I wie die "Notwendigkeit eines Naturprozesses" (MEW 23/791) gezeigt werden kann und feststeht, warum müssen dann noch weitere Bände geschrieben und studiert werden?
Nach unserer Meinung gehören das 23. Kapitel "Das all­gemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation", das steigende Lohnbewegung und anschließenden Fall des Ar­beitspreises (MEW 23/649) und dadurch Produktion einer industriellen Reservearmee durch das Kapital (665) be­handelt, zusammen mit dem Abschnitt 6 "Der Arbeitslohn" inkorporiert in die (Form)Analyse der Konkurrenz.
Der erste Teil des 7. Abschnitts, also vor allem die Kapitel 21 und 22 (aber das wirkt auch noch ins 23. Ka­pitel hinein), behandelt Themen der kapitalistischen Re­produktion (einfache und erweiterte), die entweder als Resumé der Analyse der Mehrwertproduktion schon im 5. Abschnitt stehen oder am Ende von KAPITAL, Bd. II, in der Darstellung des Reproduktionsprozesses als Abschluss der Analyse des Zirkulationsprozesses des Kapitals ih­ren Platz finden könnten. Marx ist offenbar am Ende al­ler 3 Bände KAPITAL auf die gesellschaftliche Repro­duktion eingegangen. Ein alternativer Entwurf für das Ende von KAPITAL, Bd. I ist der Text "Resultate des unmittelbaren Produktionsprozesses." Hierin wäre so­zusagen der Abschnitt 5 Schlussabschnitt und dies deckt sich mit der von uns vorgetragenen Ansicht, das die Abschnitte 6 und 7 aus anderen als systematischen Grün­den hinzugefügt wurden.


Betrachten wir nun den Teil des Buchs, der die syste­matische Darstellung der Mehrwertproduktion, den "un­mittelbaren Produktionsprozess des Kapitals" angeht, so bleiben die Abschnitte 3,4 und 5 mit den Kapiteln 5-16, immer noch gut 300 Seiten.
Zentral ist Kapitel 5.2 "Verwertungsprozess". (Der letzte Teil (p.211-.unten - 213) kann übersprungen werden. Er berührt die MEW 23/59 angerissene Frage nach einfacher und "multiplizierter", bzw. "komplizierterer" Arbeit, deren Behandlung in die Konkurrenzanalyse gehört.) Das Thema "Mehrwert" wird fortgesetzt im 6. Kapitel "Kon­stantes und variables Kapital", wo die "Neuwertproduktion" der "Altwerterhaltung" (vgl. MEW 23/221) gegenübergestellt wird, und im 7. Kapitel, "Die Rate des Mehrwerts", wo die terminologische Unterscheidung von "notwendiger Ar­beitszeit" und "Mehrarbeitszeit" (231ff) eingeführt wird. (Eine Sitzung)
Kapitel 8 "Der Arbeitstag" behandelt die absolute Mehr­wertproduktion im engeren Sinn (der Terminus, der in der Überschrift des Abschnitts steht, wird erst MEW 23/334 als Gegenstück zu 'relative Mehrwertproduktion' einge­führt). Das systematische Argument wird schon im ersten Unterabschnitt "Die Grenzen des Arbeitstags" vorgetra­gen, die Abschnitte 2-5 enthalten größtenteils histo­rische Illustrationen (und könnten überblättert wer­den), die Abschnitte 6 und 7 behandeln "Den Kampf um den Normalarbeitstag" und sind wegen des darin ange­sprochenen Zusammenhangs des Klassenkampfes, Konkurrenz­kampfs und der Gesetzgebung für den Beginn der deutschen "Staatsableitungsdebatte" Ausgangsstellen gewesen. Dies wirft jedoch das Problem auf, ob Staatsaktivität (wie die Arbeitsgesetzgebung) in der Kapitalanalyse eine systematisch bedeutsame Rolle spielen kann, angesichts des Marxschen Programms, die Staatstheorie auf die Basis einer Analyse der kapitalistischen Produktionsweise zu gründen.
Kapitel 9 "Rate und Masse des Mehrwerts" führt den Terminus 'Mehrwertmasse' ein. Die Struktur des KA­PITAL ist zweifellos beherrscht durch die Darstellung der Steigerung der Mehrwertrate. Der MEW 23/429 er­wähnte "immanente Widerspruch in der Anwendung der Ma­schinerie zur Produktion von Mehrwert" kann als Un­vereinbarkeit von Steigerung der Rate und der Masse des Mehrwerts formuliert werden.
Zu Schwierigkeiten kann führen, das Marx in seiner Gegenüberstellung von absoluter und relativer Mehrwert­produktion die systematische Entwicklung (MEW 23/315 "auf dem bisher entwickelten Standpunkt") mit Etappen der innerkapitalistischen Entwicklung (vgl. auch die Kapitelüberschriften im 4. Abschnitt) zu parallelisieren versucht, und von daher "absolute Mehrwertproduktion" an "gegebene Produktionsweise", den "Arbeitsprozess in seiner historisch überlieferten oder vorhandenen Ge­stalt" anbindet (333f).
Der 4. Abschnitt "Die Produktion des relativen Mehr­werts" ist das Kernstück des ersten Bandes. Das Kapitel 10 ist eine begriffliche Einleitung, die mindestens an einer Stelle p.336f ihre Tücken hat, wo vom "indivi­duellen Wert" (was sich nur arbeitswerttheoretisch den­ken lässt) und vom "Extramehrwert", sowie erneut - und diesmal unabhängig von einem Rekurs auf unterschiedliche Arten von Arbeitskraft, wie p.59 und 212 - von "poten­zierter Arbeit" die Rede ist.
Die drei folgenden Kapitel thematisieren drei synchron vorhandene, aber begrifflich unterscheidbare Züge, die Marx am Ende des Kapitels 10 als "besondre Produktions­methoden des relativen Mehrwerts" bezeichnet. Wir schla­gen vor, sich auf den systematischen Aspekt zu konzen­trieren und im ersten Durchgang alle historischen Illustrationen auszusortieren. Kooperation (Kap.11) ist nicht historisch überholt und nicht der Arbeitsteilig­keit (Kap.12) und der Anwendung von Maschinerie (Kap.13) im kapitalistischen Produktionsprozess entgegengesetzt.
Am Kapitel 12, das sowohl einen systematischen als auch einen historischen Titel trägt: "Teilung der Arbeit und Manufaktur" erscheinen uns die Unterabschnitte 4 und 5 am ergiebigsten.
Vom Kapitel 13, ebenfalls mit Doppeltitel: "Maschinerie und große Industrie", schlagen wir vor, die ersten 5 Unterabschnitte sehr gründlich zu lesen und zu diskutie­ren. Die Anwendung von in Maschinerie vergegenständ­lichter Wissenschaft verbindet die Produktivkräfte, die in Kooperation und Arbeitsteiligkeit liegen mit einem "objektiven Skelett" (p.389) und macht die Fabrik zu einem "objektiven Organismus, dem Menschenmaterial ein­verleibt wird" (p.416). Es ist ersichtlich, dass sich diese Wissenschaftstheorie von der Logik der Wissen­schaftssprache unterscheidet. Dies bringt uns schließ­lich zu Abschnitt 5 "Die Produktion des absoluten und relativen Mehrwerts", wo, wie schon eingangs erwähnt, ein Resumé der vorausgehenden Darstellung verschiede­ner Produktionsmethoden des Mehrwerts gegeben wird. Gleich zu Be­ginn des 14. Kapitels ist eine interessante Erörterung dessen, was auf den verschiedenen Analyseebenen 'pro­duktive Arbeit' ist; hier wird auch die Kategorie 'Ge­samtarbeiter' eingeführt. (Parallelstellen enthalten die "Resultate" und die "Theorien über den Mehrwert")
Das 15. Kapitel behandelt "Größenwechsel von Preis der Arbeitskraft und Mehrwert". Dazu werden Bestimmungen aus Kapitel 4.3 (vgl. auch den Exkurs nach II) re­formuliert, sodann werden die verschiedenen Kombinatio­nen von Länge der Arbeitszeit, Arbeitsintensität und Arbeitsproduktivität auf das Verhältnis von Kapitalanteil und Lohnanteil (Mehrwert und Preis der Arbeits­kraft) hin untersucht. Den Abschluss von „KI“ bildet dann p.552 mit einem Ausblick auf die Zeit nach "Beseitigung der kapitalistischen Produktionsform", vgl. zu diesem The­ma auch MEW 25/828.

Montag, Mai 18, 2009

Band I, Abschnitt II

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Bemerkungen zum KAPITAL: Bd.I, Abschnitt 2

Der ganze Abschnitt besteht ja nur aus einem Kapitel, das in drei Unterabschnitte gegliedert ist: 1. Die all­gemeine Formel des Kapitals - 2. Widersprüche der all­gemeinen Formel - 3. Kauf und Verkauf der Arbeitskraft.
In diesem "Dreischritt" liegt ein innerer Zusammenhang. Im ersten Schritt wird Alltagswissen über das Kapital aufgegriffen ("spielt täglich vor unseren Augen") und in den Kategorien, die die vorausgegangene Analyse von Waren und Geld (als Formen des Werts) bereitgestellt hat, formuliert. Im zweiten Schritt wird für die Darstellungs­voraussetzung, dass Wertformwechsel keine Wertgrößenver­änderung einschließen, argumentiert und es wird dadurch das "Rätsel" konstruiert: wie kann zweifacher Wertform­wechsel zu Wertgrößenzuwachs führen? Im dritten Schritt wird die Lösung des Mehr-Wert-Rätsels durch Ausweitung des Warenbegriffs (hier wird die Arbeitskraft neben den Industriewaren in die Analyse einbezogen) vorbereitet, die dann im 2. Unterabschnitt des 5. Kapitels "Der Ver­wertungsprozess" explizit formuliert wird.
Zentral ist MEW 23/181 und dann 184f, wozu jedoch 117 mit herangezogen werden sollte.
(2 Sitzungen und viel Diskussion! Hat Arbeitskraft Wa­renwert? Wodurch ist der Wert bestimmt? Was bedeutet es systematisch, dass die "Wertbestimmung(?) der Arbeitskraft ein historisches und moralisches Element" (MEW 23/185) enthält?)
Eine entsprechende Warnung, wie sie anlässlich des 2. Ka­pitels der Vermischung der Analyse der "ökonomischen For­men" (MEW 23/161 als Thema angeben) mit juridischer Ter­minologie galt, gilt speziell hier im 4. Kapitel (wie übrigens vorher schon, besonders im Fetisch-Kapitel) der Vermischung mit anthropologischem Vokabular. Auch die Rede von Bedürfnissen ist unserer Ansicht nach, syste­matisch betrachtet, ein Vorgriff. Die trockene Dar­stellung wird dadurch zwar "populärer", weil sozusagen menschlicher, gibt aber gerade dadurch ihre Eigenart nicht klar genug zu erkennen. Ja Marx fordert geradezu dazu auf, dass durch seine Illustration der (systematisch bestimmten) "einfachen Warenzirkulation" (hier ist die Ware Arbeitskraft nicht eingeschlossen) mit Beispielen, in denen (vorkapitalistische) Bauern und Handwerker do­minieren (in Anmerkung 6 geht es bis nach Altgriechenland zurück),für die 'Warenzirkulation ... Mittel für einen außerhalb der Zirkulation liegenden Endzweck ... Befrie­digung von Bedürfnissen' die Frage nach der "anthropolo­gischen Grundlage", nach dem (verschwiegenen) "normativen Fundament" der Marxschen Theorie aufzuwerfen. Unsere Re­konstruktion der Ökonomieanalyse kommt ohne Rede von mensch­lichen Bedürfnissen aus, vgl. aber VIII, §14 und IX, §3. Nach unserer Meinung ist auch das Eingehen auf die Familie (MEW 23/186) wieder ein Vorgriff.