Dienstag, März 27, 2007

Revenueformanalyse / KLASSEN

Hennings Vorgehen in 2.4: „Marx in der (deutschen) Soziologie“:
Henning geht auch in diesem Kapitel ähnlich vor wie in den vorangegangenen und den nach­folgenden, indem er zuerst Marx' Position bzgl. der 'Klassen' darstellt und dann auf die (Fehl-) Rezeptionen seitens der deutschen Soziologen eingeht, die auch in seiner Ansicht nach falschen bzw. 'schiefen' Entwicklungen resultierten (vgl. Schelskys 'nivellierte Mittelstandsgesellschaft', die Auffassung der Gesellschaft spätestens seit 1945 als nicht mehr klassenstrukturiert etc.) und so das Potential der Marx’schen Analyse nicht nutzten.

zuallererst eine begriffliche Unterscheidung:
Die Argumentation bzgl. der Klassenproblematik in der (deutschen) Soziologie bzw. die Diskussion derselben findet meiner Ansicht nach auf mindestens zwei verschiedenen Ebenen statt, die man unterscheiden muss, wenn man auf der einen Seite von Marx' Einfluss auf die So­ziologie und deren Klassenkonzepte spricht, auf der anderen von der Rezeption der Marx'schen Klassenanalyse bzw. der möglichen Fehlrezeption, wie Henning meint:
1. analytische Ebene: Klassenanalyse als Methode: Klassen als ökonomische Kategorien: ‚Klassen’ werden von Marx, im Anschluss an Ricardo und Smith, als beobacht- und begründ­bare Phänomene der 'bürgerlichen Gesellschaft' (Marx) aufgefasst [Be­griff der bürgerl. Gesell­schaft vom jungen Marx von Hegel übernommen, vgl. KWM]; gerade in der Diskussion mit den Konzepten von Max Weber ist es wichtig, hier die verschiedenen Kategorien (ökono­misch, sozial, politisch) zu unterscheiden
2. begriffliche Ebene: 'Klassen' als Begriff einer Wissenschaft, der v.a. in der deutschen Sozio­logie nach 1945 begrifflich nicht mehr 'en vogue' war; meine These, die in der Diskussion im Seminar grundsätzlich auf Zustimmung zu stoßen schien: Schelskys 'ni­vellierte Mittelstands­gesellschaft' [1950] und die verschiedenen Schichtenmodelle beschrieben nicht etwas grund­sätzlich anderes als das, was Marx mit dem Begriff der 'Klasse' beschrieben hat, aber dieser Begriff war (ideologisch) besetzt und daher nach Ansicht der Soziologen nicht verwendbar – was anscheinend auch damit einherging, dass das Phänomen einer in verschie­dene Klassen geteilten Gesellschaft negiert wurde (vgl. Henning S. 239); fraglich ist, ob sich die Gesell­schaftsstruktur in Deutschland je vollständig von einer Klassenstruktur löste, oder ob diese nicht trotz allem immer auch zugrunde lag; interessant ist, dass z.B. das Lexikon zur Soziologie den Klassenbegriff u.a. als ein Synonym für den Schichtbegriff definiert, vor allem für Über­setzungen aus dem Englischen, wo der Begriff der Klasse wesentlich prominenter ist (vgl. auch Ritsert 1998, S. 119ff.; Henning, S. 250, Fußnote 185); für Henning ist z.B. Schelskys Modell einer 'nivellierten Mit­telstandsgesellschaft', in der sich aufgrund von (vorgeblich) starker sozialer Mobilität(smöglichkeit) die Verortung in (starren) Klassen aufgelöst habe, eine Fehleinschätzung, ge­rade wenn hier die bei Marx zentrale ökonomische Kategorie von z.B. kulturellen abgelöst wird (Henning, S. 238) [vgl. auch Mobilitätsstudien bis in die 1980er in der BRD und der DDR, in denen eine soziale Mobilität nur sehr bedingt nachgewiesen werden konnte, s. z.B. Rainer Geißler]

Kap. 2.4.6: „Die soziologische Behandlungsart ökonomischer Klassen“ (S. 224ff.)
Hennings Ansicht nach weist die deutsche Soziologie ins­gesamt und speziell ihre Beschäftigung mit den 'Klassen' einen di­rekten Bezug zur Neoklassik und der damit verbundenen Fehlrezepti­on der Marx'schen Texte auf (Henning, S. 193ff.); grundsätzlich stelle Marx einen wichtigen „Ideengeber“ dar, „und sei es nur als Negativfolie“ (Henning, S. 192)
bzgl. Marx stellt er heraus, dass ein Klassenkonzept nicht in extenso aus­gearbeitet wurde, er [d.h. Marx] sei davon ausgegangen, dass eine Klassenstruktur der Gesell­schaft 'selbstverständlich' ist (vgl. Henning, S. 225, Verweis auf Kapital Band 3); mit der akuten Fehlrezeption würden sich in der Beschäftigung mit Marx zudem die Ebenen der Theorie und der Empirie überlagern, auf Kosten der Einsicht, dass „Marx' Theorie (...) keine Momentanbeschreibung einer gegebenen Gesellschaft geben [will]“ (Henning, S. 229); im Gegensatz zur positivistischen Soziologie, die zeitgleich in Frankreich entstand und eher herrschaftszentriert ausgerichtet gewesen sei, habe Marx versucht zu zeigen, inwiefern der Staat selbst „nur ein Ausschuß [ist], die [sic!] die gemein­schaftlichen Geschäfte der ganzen Bourgeoisklasse verwaltet“ (MKP, I.12) – also ein Instrument der herrschenden Klasse ist, es geht daher hier um das Verhältnis und die (Wechsel-)Beziehung von Staat und Klasse
bzgl. Weber stellt Henning fest, dass er oberflächlich ganz ähnlich vorgeht wie Marx, indem er „an [die] Basis seiner Theorie der Klassenlage (...) ein ähnliches Kriterium [legte], nämlich das Eigentum der „Besitzklasse“ gegenüber der eigentumslosen „Erwerbsklasse“ (1922, 177)“ (Henning, S. 231); nach Henning verschiebt Weber aber dann den Fokus, indem es ihm nicht mehr um die Stellung in den Produktionsverhältnissen geht, sondern um die Chancen bzgl. der Distribution, dem Arbeitsmarkt etc., was dann zu einer (Wieder-)Einführung des Begriffs des so­zialen Prestiges führt; mit diesem Schritt „entfernten sich Webers deskriptive Kategorien noch weiter von den Marx'schen“ und werde seine Analyse, von der Henning übrigens immer als „Schichtungsanalyse“ spricht, „außerökonomisch“ (Henning, S. 232); der von Henning negativ angemerkte Einfluss der Neoklassik wird dann von ihm noch anhand vier weiterer Grundbegrif­fe Webers ausgeführt: Handeln als Ausgangspunkt der Methode („verstehende Soziologie“), Werturteilsfreiheit, Geist des Kapitalismus, Entzauberung/Rationalisierung (Henning, S. 232ff.); nach Henning zeigt z.B. der Begriff der Rationalisierung, wie weit sich Weber von Marx entfernt hat, das „[diese] Perspektive (...) das Konstituens des Kapitalismus, das blind-anarchische Wüten der Marktkräfte, gerade nicht mehr [erfasst]“ (Henning, S. 236); retten könnte man Weber ggf. insofern, als die 'Rationalisierung' auch eine eigene innere Logik und ein un-menschliches Funktionieren der Maschinerien beschreibt, die den Menschen nurmehr als mechanisches Teil dieser Maschinerie betrachten, was dem Kapitalismus bzw. dem Markt bei Marx meiner Ansicht nach ja durchaus zukommt; allerdings stimmt es schon, dass hier zwei sehr unterschiedliche Facetten im Blick sind; mit dieser gesamten Verschiebung ging der Soziologie letztlich, so Henning, dann der „entscheidende Gegenstand“ [der Moderne] verloren (Henning, S. 236)
die Frage, die Uli auch im Seminar aufwarf, ist allerdings eine grundsätzliche, und zwar, in­wiefern Marx und Max Weber hier noch von den gleichen Dingen sprechen oder ob sie sich nicht so weit voneinander entfernt haben, dass der Versuch eines Vergleichs auf dieser Ebene hinfällig wird
die deutsche Soziologie nach 1945 stellt dann eigentlich die entscheidende Fehlrezeption der Marx'schen Klassentheorie dar; hatte Weber nach Henning noch ähnliche Ansatzpunkte bzw. verschob den Fokus der Analyse, stellten die Konzepte der zweiten Hälfte des 20. Jhdt. eine wirkliche Fehldeutung dar, wie z.B. bei Schelsky, wenn die Klassenstruktur als überwunden be­trachtet wurde, z.T. auch aus ideologischen Gründen (Nationalsozialismus) (Henning, S. 237ff.)

I. Karl Marx: Konzept der Klassen nicht ausführlich ausgearbeitet, die z.T. unterschiedlichen Konzepte kann man – wenn man solch eine Unterteilung vornehmen will – jeweils dem 'jungen' (Manifest der Kommunistischen Partei, 1848, im Folgenden MKP) bzw. dem 'späten' Marx (Kapital Band 3, hrsg. 1894, geschrieben aber bis 1867, d.h. im Unterschied zum MKP nach knapp 20 Jahren Beschäftigung mit ökonomischer Theorie) zurechnen oder einfach eine Entwicklung in seinen Vorstellungen festhalten, die z.T. auch mehr als drei Klassen kennen, welche z.T. auch idealtypisch konstruiert sind, d.h. Konstel­lationen darstellen, die zur Ver­anschaulichung konzipiert wurden, ohne dass sie so je real existent waren (vgl. Henning, S. 225: „Deutlich ist etwa der Kontrast des dualen Schemas der Kampfschriften (Arbeit gegen Kapital) mit den historischen Schriften, die bis zu acht Klassen kennen.“)
I.I. der junge Marx: zweigliedrige Konzeption: deutliche duale Unterscheidung von Bourgeoisie und Proletariat (vgl. Manifest der Kommunistischen Partei, 1848, z.B. I.1, 2, 5), die einen „grundlegenden Antagonis­mus“ (KWM, S. 621) bezeichnen:
„[5] Unsere Epoche, die Epoche der Bourgeoisie, zeichnet sich jedoch dadurch aus, daß sie die Klassengegensätze vereinfacht hat. Die ganze Gesellschaft spaltet sich mehr und mehr in zwei große feindliche Lager, in zwei große, einander direkt gegenüberstehende Klassen: Bourgeoisie und Prole­tariat.“ (MKP, I.5)
allerdings finden sich auch im Manifest Äußerungen z.B. zu „kleinen Mittelständen“ (MKP, I.35) oder zum „Lumpenproletariat“ (MKP, I.47), die zeigen, dass das duale Konzept Mar­xens durchlässig war für eine nicht-hermetische Gesellschaftsvorstellung; interessant ist insge­samt im Manifest, wie Marx die Klasse der Bourgeoisie als Resultat eines bestimmten Entwicklungsprozesses darstellt und diesen Entwicklungsprozess weiterführt, an dessen Ende, wiederum als Resultat dieses Prozesses, das Proletariat steht, das von der Bourgeoisie durch ihre eigene Logik [die Logik des Kapitalismus] quasi als „Totengräber“ ihrer selbst ge­schaffen wurde [vgl. MKP, I. 29]; Marx spricht allerdings auch von den Schichten der Gesell­schaft und bezeichnet das Proletariat als „die unterste Schicht der jetzigen Gesellschaft“ (MKP, I.50)
[Engels konzipiert dann im Anti-Dühring [1878] ebenfalls drei Klassen und unterscheidet zwi­schen Feudalaristokratie, Bourgeoisie und Proletariat (KWM, S. 621)]
I.II. der späte Marx: dreigliedrige Konzeption: Entwurf im 3. Band des Kapitals, in dem drei zentrale Klassen: Lohnarbeiter, Kapitalisten, Grundeigentümer, angeführt und die sogenann­ten Revenuen und Revenuequellen als Unterscheidungskri­terien angegeben werden:
„Was macht Lohnarbeiter, Kapitalisten, Grundeigentümer zu Bildnern der drei großen gesellschaftli­che Klassen? Auf den ersten Blick die Dieselbigkeit der Revenuen und Revenuequellen. Es sind drei große gesellschaftliche Gruppen, deren Komponenten, die sie bildenden Individuen, resp. von Arbeitslohn, Profit und Grundrente, von der Verwertung ihrer Arbeitskraft, ihres Kapitals und ihres Grundeigentums leben.“ (Kapital Band 3, S. 893)
die angedeutete Befassung mit weiteren möglichen Differenzierungen bleibt aus, da an dieser Stelle das Manuskript abbricht;
· inhaltlicher Einschub: Rekonstruktion der Revenueformanalyse: Marx arbeitet (bewusst) mit einer Doppeldeutigkeit des Begriffs „Revenue“, wobei er den Begriff nutzt, „(...) erstens um den Mehrwert als periodisch aus dem Kapital entspringende Frucht, zweitens um den Teil dieser Frucht zu bezeichnen, der vom Kapitalisten periodisch verzehrt oder zu seinem Konsumtionsfonds geschlagen wird.“ (Kapital Band 1, S. 618, Anmerkung 33) „Revenue“ wird also einmal synonym zum Begriff des „Mehrwerts“ benutzt, im anderen Fall zur Bezeichnung eines Teils diesen Mehrwerts, der dem Kapitalisten kontinuierlich zu­kommt. Laut Marx gibt es drei Revenueformen, und zwar den Lohn, den Zins und die Rente. Dabei wird dem Arbeiter der Lohn zugeordnet, dem (Geld-)Kapitalisten der Zins und dem Rentier die Rente. Diesen drei Revenueformen entsprechen drei Revenuequellen, nämlich das Geldkapital (Zins), der Boden (Rente) und der Arbeiter selbst (Lohn) (vgl. z.B. Kapital Band 3, S. 822). Dabei herrscht zwischen dem Unternehmer und den Revenuebeziehern, also den Arbeitern/(Geld-)Kapitalisten/Rentnern, sowohl ein Kauf- als auch ein Leihverhältnis der entsprechenden 'Güter', z.B. Arbeitskraft gegen Lohn und Geld gegen Zinsen. Die Revenuen bezeichnen so nicht nur einfach das Einkommen der jeweiligen Gruppen, sondern vielmehr die Entlohnung der aufgewendeten Arbeit plus eine 'Leihgebühr' [dies wird anhand des Zins-Beispiels meiner Ansicht nach besonders deutlich].
Folgt man nun der Argumentation dieser dreigliedrigen Konzeption (oder „trinitarischen Formel“, wie es bei Marx heißt, vgl. Kapital Band 3, S. 822), steht der Unternehmer als Re­präsentant einer vierten Gruppe den drei genannten Gruppen gegenüber, so dass sich nicht drei gesellschaftliche Klassen, sondern vier ergeben. Aus der Trinität wird die „Troika“: einer lenkt und drei sind eingespannt (siehe Roth in: www.wertformanalyse)

Würde man versuchen, die Aussagen zu den Klassen im obigen Zitat auf die im Manifest zu komprimieren (was allerdings unlogisch, da entgegen der chronologischen und auch inhaltli­chen Entwicklung in Marx’ Werk wäre), so könnte man schließen, dass letztendlich die ver­schiedenen mittelständischen Klassen im Entwicklungsprozess „ins Proletariat hinab[fallen]“ (MKP, I.35) oder „verkommen“ (MKP, I.45) bzw. Teile von ihnen als Ideologen des Proletari­ats in diese Klasse wechseln (MKP, I.44), was für Marx einen notwendigen Schritt bedeutet, „weil nur durch diese bürgerlichen Philosophen dem Proletariat die zur Klassenintegration unerlässliche Bewusstseinsbildung vermittelt werden kann“ (s. Erläuterung I.44 zum Manifest) – was die Bedeutung von Marx und Engels für die Bewegung wiederum auch theoretisch rechtfertigt

II. Max Weber: ebenfalls kein ausformuliertes Klassenkonzept, wichtigste Anmerkungen in den beiden Kapiteln „Stände und Klassen“ und „Stände, Klassen, Parteien“ im ursprünglich von Marianne Weber 1922 nach Webers Tod herausgegebenen Wirtschaft und Gesellschaft (im Folgenden WuG); insgesamt erscheinen die drei 'Klassenarten', die Weber unterscheidet, nicht ganz eindeutig abgrenzbar und nicht eindeutig auf Marx' Klassenbegriffe übertragbar
II.I Klassen: Weber siedelt die Klassen im Bereich der Wirtschaftsordnung an (vgl. WuG, S. 539) und unterscheidet grundsätzlich Besitz-, Erwerbs- und soziale Klassen; dabei stellt er für die ersten beiden Fälle jeweils eine Dreigliederung vor, die
a. Besitzklasse: die sog. 'positiv privilegierte Besitzklassen', 'negativ privilegierte Besitz­klassen' und die 'Mittelstandsklassen' umfasst (WuG, S. 178); dazu sagt Weber weiter:
„Die reine Besitz­klassengliederung ist nicht „dynamisch“, d.h. sie führt nicht notwendig zu Klassen­kämpfen und Klassenrevolutionen. (...) Nur kann der Besitzklassengegensatz (...) zu revolu­tionären Kämpfen führen, die aber nicht notwendig eine Aenderung [sic!] der Wirtschaftsver­fassung, sondern primär lediglich der Besitzausstattung und -verteilung bezwe­cken (Besitzklassen­revolution).“ (WuG, S. 178, Hervorhebungen im Original)
b. Erwerbsklasse: die sog. 'positiv privilegierte Erwerbsklassen' [Bsp. Unternehmer], 'ne­gativ privilegierte Erwerbsklassen' [Bsp. Arbeiter] und die 'Mittelklassen' [Bsp. selbständige Bauern, Hand­werker, „freie Berufe“ oder solche „mit bevorzugten Eigenschaften“ wie Anwälte, Ärzte, Künstler] umfasst (WuG, S. 178f., Hervorhebungen im Original)
c. soziale Klassen: im Fall der sozialen Klassen differenziert Weber etwas weiter in vier Gruppen: „die Arbeiterschaft als Ganzes, je automatisierter der Arbeitsprozeß wird (...), das Klein­bürgertum (...) die besitzlose Intelligenz und Fachgeschultheit (Techniker, kom­merzielle und andere „Angestellte“, das Beamtentum, untereinander eventuell sozial sehr geschieden, je nach Schulungskosten), (...) die Klassen der Besitzenden und durch Bil­dung Privile­gierten“ (WuG, S. 179)
→ hier anschließend in einem Abschnitt Bezugnahme auf das unausgearbeitete Kapitel zu den 'Klassen' im Kapital; später heißt es an anderer Stelle bzgl. des Verhältnisses von Klassen und der Gesellschaft:
„Immer aber ist für den Klassenbegriff gemeinsam: daß die Art der Chance auf dem Markt die­jenige Instanz ist, welche die gemeinsame Bedingung des Schicksals der Einzelnen darstellt. „Klassenlage“ ist in diesem Sinn letzlich: „Marktlage“. (...) Es sind nach dieser Terminologie eindeutig ökonomische Interessen, und zwar an die Existenz des „Markts“ gebundene, welche die „Klasse“ schaffen.“ (WuG, S. 532, Hervorhebung im Original)
→ Markt und Klassen erscheinen hier also als untrennbar miteinander verknüpft
II.II Klasse und Stand:
insgesamt ist die Unterscheidung von Klasse (im Bereich der „Wirtschaftsordnung“ angesie­delt) und Stand (im Bereich der „sozialen Ordnung“ angesiedelt, je WuG, S. 539) bei Weber folgende:
„Ständische Lage soll heißen eine typisch wirksam in Anspruch genommene positive oder negative Privile­gierung in der sozialen Schätzung (...). Dem „Stand“ steht von den „Klassen“ die „soziale“ Klasse am nächsten, die „Erwerbsklasse“ am fernsten. Stände werden oft ihrem Schwerpunkt nach durch Besitz­klassen gebildet.“ (WuG, S. 179f., Hervorhebungen im Original)
das Konzept des „Standes“ ist dabei vor allem an die Begriffe der Ehre und des sozialen Pres­tiges geknüpft (WuG, S. 179; S. 534f.) und findet sich vor allem in den vormodernen (z.B. feudalen) Gesellschaften

III. 'Klassen' heute:
Meiner Ansicht nach findet auch bei der Diskussion bzw. der Verwendung des Klassenbe­griffs ähnlich wie bei der derzeitigen Marx-Lektüre eine Neuorientierung statt, die versucht, sich von den belastenden ideologischen Vorverständnissen frei zu machen. Dies lässt sich nicht nur in den Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften beobachten, sondern vor allem auch im Alltagssprachgebrauch (vgl. auch Henning, z.B. Fußnoten 166; 184); die verschie­denen postmarxistischen Ansätze in den Kulturwissenschaften und Cultural Studies zeigen zudem seit einiger Zeit, dass Marx erneut als Fundament genutzt, wenn auch vielleicht (noch) nicht immer neu ge­lesen wird.

Anmerkungen:
· zu Henning und Max Weber: man kann jedenfalls den frühen Max Weber (Erstfassung der Protestantischen Ethik von 1904/1905) auch so lesen, dass er nicht versucht, ein Gegenmodell zu Marx zu entwickeln, sondern vielmehr eine andere Seite der Entwicklung aufzuzeigen: We­ber zufolge sind immer sowohl Ideen- als auch Interessenkonstellationen entscheidend für eine bestimm­te gesellschaftliche Entwicklung, d.h., es gibt immer zwei Bedingtheiten; in der Protestantischen Ethik beschäftigt er sich aber z.B. explizit nur mit der einen (ideellen) Seite der Entstehung des Kapitalismus, ohne die andere Seite zu negieren oder ihr Wichtigkeit abzu­sprechen [vgl. Protestantischen Ethik, v.a. S. 66-68]
· zu Henning und der soziologischen Klassentheorie nach 1945: zustimmen würde ich Henning, dass es diesbezüglich v.a. in der deutschen Soziologie eine Schieflage gab (und ggf. noch gibt), exemplarisch wird das deutlich, wenn man sich verschiedene Mobilitätsstudien bis in die 1980er Jahre ansieht, die zeigen, dass soziale Mobilität weder in der BRD noch in der DDR in dem Maße gegeben war, dass sie den Begriff einer 'nivellierten Mittelstandsgesell­schaft' (Schelsky, bezogen auf BRD) rechtfertigen würden; ebenfalls war sicher der Klassen­begriff ideologisch besetzt, wurde meiner Ansicht nach aber z.T. durch den Begriff der „Schicht“ ersetzt, wobei dieser nicht mehr in erster Linie ökonomisch bestimmt war und ist; gleichzeitig bezeichnet das sog. „Schichtungsmodell“ weiterhin ein dichotomes Modell des Gesellschaft, das zwischen zwei sozialen Gruppen unterscheidet, die sich gegenüber stehen; Henning spricht die soziale Schichtung zwar zu Beginn in der Einleitung in das Kapitel an (Henning, S. 226), kommt anschließend aber nicht mehr explizit darauf zurück – was ver­ständlich ist, da es ihm nicht um eine Analyse soziologischer Fachbegriffe geht, aber meiner Ansicht nach geht ihm hier ein Aspekt verloren.

Was für ein generelles Verständnis von Marx' Klassenbegriff nicht fehlen darf:
Unterscheidung von Marx zwischen der Klasse an sich und der Klasse für sich: Erstere stellt eine Gruppe von Menschen dar, die unter den gleichen Bedingungen bzgl. der Produktionsver­hältnisse und -mittel leben, denen aber das Bewusstsein für ihre eigene Situation bzw. ihre Inter­essenlage (also eine bestimmte Qualität des Klassenbewusstseins) und die Organisation (als Klasse) fehlt; letztere weist genau dieses Bewusstsein (des Klasseninteresses) und diese Organisa­tion auf; für Marx geht es darum, dass die 'Klasse an sich' zu einer 'Klasse (an und) für sich' werde.








Siehe auch:
· Fuchs-Heinritz, Werner et al. (Hrsg.): Lexikon zur Soziologie. Opladen 31994, v.a. S. 334ff.
· Gubbay, Jon: A Marxist Critique of Weberian Class Analysis. In: Sociology 31/1997, S. 73-89.
· die Einträge 'Klasse' und 'Klassenkampf', in: Labica, Georges und Gérard Bensussan (Hrsg.): Kritisches Wörterbuch des Marxismus, Bd. 4. Berlin 1986, S. 615ff. (hier abgekürzt mit KWM).
· Marx, Karl: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Erster Band. MEW 23. Berlin 1962 [Hamburg 1890].
· Marx, Karl: Die Klassen. In: Engels, Friedrich (Hrsg.): Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Dritter Band. MEW 25. Berlin 1968 [Hamburg 1894], S. 892-893.
· Marx, Karl: Manifest der Kommunistischen Partei. Hrsg. und kommentiert von Theo Stammen. München 21978 [1848], (hier abgekürzt mit MKP).
· Ritsert, Jürgen: Soziale Klassen. Münster 1998, v.a. Kapitel 3 und 5.
· Weber, Max: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. München 2004 [Nachdruck der Fassung von 1920; Ersterscheinung 1904/1905].
· Weber, Max: Stände und Klassen. In: ders.: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie (hier abgekürzt mit WuG). Tübingen 51980 [1922], S. 177-180.
· Weber, Max: Klassen, Stände, Parteien. In: ders.: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziolo­gie. Tübingen 51980 [1922], S. 531-540.